Zur Situation von Frauen im Männerberuf: Belastung und Beanspruchung von Architektinnen.

Im Gegensatz zum Selbstbild der Architektinnen scheint sich der durch "Höchstleistungsdruck, Konkurrenz und Kampf" bestimmte Architektenberuf, in dem offenbar "männliche Orientierung" gefördert wird, negativ auf die seelische Gesundheit eines Teils der Architektinnen auszuwirken.

Beschreibung

Architektinnen vermitteln von sich im allgemeinen ein positives berufliches Selbstbild. Was zählt, seien Kompetenz und Persönlichkeit. An einer Chancengleichheit gegenüber den maenlichen Kollegen in einem traditionell männlich dominierten Beruf wird kaum noch gezweifelt. Wenn dieses Selbstbild stimmt, sollten sich die beruflichen Belastungen nicht mit erhöhten Beanspruchungen äußern. Um dieser Frage nachzugehen, wurde bei allen Mitgliedern der Hamburgischen Architektenkammer 1999 eine Erhebung durchgeführt und die Ergebnisse denen eines akademischen Vergleichskollektivs gegenüber gestellt. Der Fragebogenrücklauf lag bei 25% (Männer 24%, Frauen 30%). 29% der vollzeitbeschäftigten Architektinnen waren verheiratet, nur 13% hatten Kinder (Frauen des Vergleichskollektivs 47% bzw. 39%): Psychotherapeutische Behandlungen wurden von Architektinnen mit 16% signifikant häufiger angegeben als von Architekten oder den Frauen des Vergleichskollektivs (6% bzw. 7%, jeweils <0,01). Mittels logistischer Regression ließ sich nur der Beruf als Einflussfaktor sichern. Architektinnen hatten einen signifikant höheren MBI-Erschöpfungs-Punktwert als ihre männlichen Kollegen (15,6 bzw. 13,5). Die Doppelbelastung durch Kindererziehung hatte keinen negativen Einfluss auf die untersuchten Beanspruchungsparameter, ebenso wenig das Lebensalter. Im Gegensatz zum Selbstbild der Architektinnen scheint sich der durch "Höchstleistungsdruck, Konkurrenz und Kampf" (Eichstädt-Bohlig 2000) bestimmte Architektenberuf, in dem offenbar "männliche Orientierung" gefördert wird, negativ auf die seelische Gesundheit eines Teils der Architektinnen auszuwirken. Weibliche Qualifikationen, wie ein eher kommunikationsbetonter Arbeitsstil, sollten daher bei der Einstellung von Architektinnen stärker berücksichtigt und von den Unternehmen bewusster genutz werden; auch und gerade im mittleren Lebensalter, wenn sich Frauen nach der Kindererziehung wieder verstärkt nach Außen orientieren, zumal sich die Doppelbelastung durch Kindererziehung nicht negativ auf die Gesundheit auswirkt.

Autor

Ralf Wegner, Dieter Szadkowski, Verena Heidenreich, Xaver Baur

Verlag

Zbl Arbeitsmed 53:74-91

Version

2003