Zwischen Engagement und innerer Kündigung

Buchumschlag

Wie verarbeiten es Arbeitnehmer, wenn Kollegen entlassen und Unternehmen permanent umgebaut werden? Die Forschung zeigt, dass das Ausmaß der Mitbestimmung Stress und Motivation beeinflusst.

Beschreibung

Personalabbau und ständige Restrukturierungen gehören in vielen Unternehmen zum Alltag – die Spuren, die diese in den Köpfen der Beteiligten hinterlassen haben, sind im deutschsprachigen Raum bisher kaum untersucht worden. Umso erfreulicher sind die nun in Buchform vorliegenden Ergebnisse einer qualitativen empirischen Untersuchung. Diese basiert auf einem Forschungsprojekt, das von der Hans-Böckler-Stiftung gefördert wurde. Die Fragen der Autoren: Wie werden Personalabbau und damit einhergehende Restrukturierungen von den Mitarbeitern emotional verarbeitet? Wie wirken sie auf die gegenseitigen informellen Erwartungen und Verpflichtungen zwischen Management und Mitarbeitern, die psychologischen Verträge? Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die Mitbestimmung?

Für ihre Fallstudien wählten die Autoren drei Unternehmen und Betriebe aus, die sich in Belegschaftszahlen, Branchenzugehörigkeit und Mitbestimmungsstrukturen unterscheiden – die Deutsche Steinkohle AG, das Bochumer Opel-Werk sowie einen Pressglas herstellenden Mittelbetrieb, der namentlich nicht genannt wird.

Grundlage des Buches sind 180 Interviews und20 Workshops mit Mitarbeitern, Führungskräften und Betriebsräten. Das Ergebnis: Personalabbau und Restrukturierungen wirken einschneidend auf die Arbeitsemotionen von Belegschaften, Führungskräften und Betriebsräten. Denn sie erzeugen Stress und Angst bei den Betroffenen. Dabei ist die Belegschaft gar nicht von vornherein veränderungsresistent – aber sie wird es durch ständige und nicht abgeschlossene Umstrukturierungen. Ehemals stabile psychologische Verträge können fragil werden. Ein ständiger, wenn auch „sozialverträglicher“ Personalabbau verändert den psychologischen Vertrag immer wieder aufs Neue. Zum Teil werden diese Emotionen durch rationale „Transaktionskostenüberlegungen“ wieder korrigiert – etwa, indem Mitarbeiter konkret über Kündigungen nachdenken. Ob der psychologische Vertrag dabei weiter destabilisiert wird, hängt vom Einzelfall ab. Demgegenüber reduzieren die von den Betriebsräten ausgehandelten Hilfen den Stress. Je stärker die Mitbestimmung, desto größer ist der soziale Rückhalt für die Belegschaft. Die dargestellten Fälle liefern dafür Indizien. Die Autoren diagnostizieren, dass die Mitbestimmungsstruktur einen erheblichen Einfluss auf die Motivation besitzt.

Sehr gelungen sind die Kapitel über das Handeln der Betriebsräte. Demnach orientiert sich der Betriebsrat der Deutschen Steinkohle im Kontext der Montanmitbestimmung und dreigeteilter Regulierungen an einem Co-Management als Geschäftspartnerschaft mit dem Unternehmensmanagement. Und der Betriebsrat von Opel konnte, obwohl das Konzernmanagement von General Motors permanent die Standorte gegeneinander ausspielte und mit Schließungen drohte, durch sein Kontra-Management Bochum als Produktionsstätte retten. Demgegenüber hat der engagierte Betriebsrat des Mittelbetriebes in der autoritär-paternalistischen Unternehmenskultur und wegen der weniger ausgeprägten Mitbestimmungsform schwierigere Handlungsbedingungen.

Das Buch beinhaltet nicht nur eine fundierte Analyse der Wandlung psychologischer Verträge und ihrer Wirkungsfaktoren bei Personalabbau und organisatorischen Umstrukturierungen, sondern
gibt dem Leser auch einen guten Einblick in die Arbeitsbeziehungen und in den Alltag der Betriebe. Dabei schärft es zugleich den Blick für die Bedeutung der weichen Faktoren.- MARKUS BAUER.

Rezension aus Magazin Mitbestimmung 1+2/2008 der Hans-Böckler-Stiftung

Autor

Michael Stahlmann/Walter Wendt-Kleinberg

Verlag

Verlag Westfälisches Dampfboot

Version

2008

Preis

29,90

ISBN

978-3-89691-678-5